Die neuen Taxi-Portale im Internet revolutionieren die private Transportbranche. Ein Segen für die Taxi-Nutzer oder vielmehr das, was unter dem Begriff kreative Zerstörung zu verstehen ist?
In Paris brennt der Asphalt, in Berlin blockieren grantige Taxifahrer den Weg zum Flughafen. Auch in Frankfurt sind die Taxler sauer. „Das Internet“ will ihnen ihr ohnehin schon mühseliges Geschäft wegnehmen. Neue Konzepte der sogenannten Shareconomy drängen mit Macht auf den Markt der urbanen Transportleistungen. Ist das die berühmte kreative Zerstörung, die ganze altehrwürdige Branchen dem Erdboden gleichmacht?
Zunächst erzählt uns die Vehemenz dieses Konflikts etwas über die inneren Strukturen des Systems Taxi. Natürlich gibt es den leidenschaftlichen Taxler, der seine Kunden notfalls gratis zu den Sehenswürdigkeiten seiner Stadt fährt.
Aber meistens ist Taxifahren ein marginalisierter Job, der oft von tragisch Überqualifizierten oder Ausgebeuteten ausgeübt wird, die wenig untereinander vernetzt sind. Das ganze System leidet unter Rückkoppelungsmangel, der Kunde hat wenig Wahl. Wer Taxi fährt, steigt meist nur ein Mal in einen Wagen. Ob der Fahrer mürrisch war und der Wagen stank, hat wenig Konsequenzen, weil Beschwerden kaum Verbesserungs-Wirkung haben. Gleichzeitig ist das Gewerbe enorm staatlich reguliert.
All diese Faktoren zusammen ergeben eine Innovationsfeindlichkeit, die zum schlechten Ruhm der Branche beiträgt. Und genau das macht die Taxi-Ökonomie scheunenweit offen für Netzwerk-Innovationen wie MyTaxi, eine Plattform, die die Knappheiten von Raum und Zeit durch raffinierte Solomo-Technik („SOfort-LOkal-MObil“) neu verknüpft.
Man steht allein im Regen in einer Großstadt und sieht sofort, wer kommt, wann er da ist, wie weit er noch entfernt ist. Hier zeigt sich alles, was ein Smartphone kann. MyTaxi-Fahrer entwickeln auch einen neuen Stolz. Sie werden durch das Ranking der Passagiere einem ständigen Upgrading unterzogen.
Das Uber-Konzept
Uber ist indes ein klassisches amerikanisches Skalierungs-Konzept, getarnt als Sharing-Modell. Uber ist eine Plattform, auf der Fahrer ihre eigenen Autos als Transportmedium einsetzen können. Das Unternehmen hat rund zehn Milliarden Investitionskapital angezogen; offenbar winkt das große Geld.
WunderCar ist vielleicht noch am nächsten dran an der idealistischen Grundidee der Shareconomy. Wundercar organisiert das urbane Trampen neu, die Firma wirbt mit sozialer Begegnung: „Mitfahren bei Freunden zum geringen Preis“. Aber wird dieses Modell angesichts geringer Margen überleben?
Dieses weite Spektrum zeigt, wie unterschiedlich Sharing-Modelle ausfallen können. Einige führen direkt in die „Coole Schinderei der Zukunft“ (FAZ), in denen Selbstausbeutung zum Teil eines Meta-kapitalistischen Geschäftsmodells wird. Andere gehen wahrhaftig in Richtung einer „trust economy“, in der ein neues Kooperations- und Kommunikations-Spiel entsteht. In diesen Plattformen wird ein neuer „Common“ geschaffen, ein vergesellschafteter Raum, der Markt und Mensch vereint.
Am Taximarkt entscheidet sich, ob die Shareconomy in der Lage ist, auch alte, erstarrte Märkte positiv zu verändern – in Richtung Rebellion, Würde, Emanzipation und Smartness. Dann würde sich die Kreative Zerstörung tatsächlich lohnen. Weil sie auf etwas Besseres, Humaneres hinführt. Wie hieß das früher so schön: Der Kampf geht weiter!
Berliner Zeitung, 10. Juli 2014
Sehr geehrter Herr Horx,
das wäre doch auch ein Thema: Versicherungsvermittler – Die staatliche Regulierung zerstört eine ganze Branche.
Was meinen Sie?