Zukunft dank Katastrophen

Wir lieben Anti-Utopien wie den „Planeten der Affen“, weil sie unsere Sehnsucht nach Einfachheit befriedigen. Zudem liegt in der Apokalypse auch etwas Befreiendes.

Das ist ja genauso wie die Realität“, sagte neulich ein belesener Freund, als wir aus dem Kino auf die heißen Straßen des Sommers traten. Wir hatten „Planet der Affen“ gesehen, einen Action-Film, der nach dem Muster des anthropologischen Katastrophismus vorführt, dass a) Menschen eigentlich Affen sind, b) Affen klüger/edler sind als Menschen – und c) auch Affen sich früher oder später in dumme, böse Menschen verwandeln können. So oder so geht die Welt zugrunde.

„Warum schauen wir uns überhaupt solche Filme an?“, nörgelte mein Freund. „Da kann man ja gleich den Fernseher anstellen!“ Ja, warum? Woher stammt diese Ruinen- und Untergangsfaszination, die unsere Populärkultur wie eine Epidemie befallen hat? Apokalyptische Landschaften, in denen die Zombies herrschen, vom Dschungel überwucherte Großstadtruinen, in denen die „letzten Menschen“ ohne Hoffnung ums (immer nur kurze) Überleben kämpfen – jedes zweite Videospiel spielt in finalen Endzeiten.

Eva Horn, eine Literaturwissenschaftlerin und Philosophin, hat in ihrem Buch „Die Zukunft als Katastrophe“ die Metaphern der Apokalypse entschlüsselt. Sie fragt, welche Narrative sich hinter den verschiedenen Untergangsvarianten verbergen. Eine wichtige Funktion der Anti-Utopie besteht in ihrer sozial-ethischen Spiegelung: „Die Katastrophe ,testet‘ den Menschen, zeigt ihn als heroisch oder egoistisch, verletzlich oder belastbar … sie entwirft eine eigene Anthropologie des Desasters.“ In den Ruinengesellschaften gibt es jedenfalls keine Conchita Wurst und keine Patchworkfamilien. Das kompliziert Soziale wird im Ernstfall wieder auf das bewährte Muster Urhorde, Sippe, Familie reduziert. Eva Horn nennt die klassischen Hollywood-Apokalypsen, von den Klimauntergängen eines Roland Emmerich über „Armageddon“ bis „Terminator“ nur leicht ironisch Familienzusammenführungsprogramme.

Wir lieben Anti-Utopien also aus einer heimlichen Sehnsucht nach dem Einfachen, dem Archaischen. Ein weiterer Aspekt: Schuldabwehr. In der Apokalypsefantasie bestrafen wir uns selbst für unsere „zivilisatorischen Sünden“ – nur sind die Ablasszettel heute ökologisch bedruckt. Eine weitere Kategorie der Untergangslust könnte man als „apokalyptische Arroganz“ bezeichnen. Wir mögen gerne alle anderen zum Affen machen und uns dabei als etwas Besseres fühlen. So blicken wir mit manchmal unverhohlener Verachtung auf die Konflikte der Welt.

Putins neues Russland wirkt dann eben nur wie ein neuer Tribalismus. Der Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis – ein Stammeskonflikt. Ebola in Afrika – klar doch, solche Seuchen befallen eben nur … Spätestens hier wird das Blödsinnige, aber auch Falsche dieses Hochmuts deutlich. Im Mittelalter wütete die Pest in Europa. Historiker sind sich darüber einig, dass die Katastrophe zur Entwicklung der Moderne beitrug, weil neue Hygieneverhaltensweisen, Kooperationsformen und Rechtssysteme entstanden. Die „Zivilisationskrankheit“ Aids hat mehr zur Verbreitung von Toleranz beigetragen als alle Appelle. Sicher, die Idee, dass im Schlechten Zukunft wohnt, ist schwer zu akzeptieren. Aber die Affenwelt ist besser als ihr Ruf. Wir sind, als Primaten, eine lernende Spezies. Apokalyptisch ausgedrückt: Wir sind zur besseren Zukunft verdammt.

Berliner Zeitung, 06.08.2014

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