Der heilige Apple

Wann spürten wir zum letzten Mal dieses Gefühl von froher Erwartung und süssem Sehnsuchts-Schmerz? Das muss tief in der Kindheit gewesen sein, als Technik noch heiss nach Fortschritt roch. Als man (als Junge) zum Geburtstag die fiebrig erwartete nagelneue Carrera-Rennbahn bekam. Und die Welt sich nach Vorne veränderte.

Übermorgen ist Verkündung. Charismatische Männer in schwarzen T-Shirts werden magische Geräte auf dunklen Bühnen enthüllen; rund um den Planeten steigt frenetischer Jubel auf. Und siehe, ich verkünde Euch große Freude…. Wie kann das sein, das Technik heute noch derartige Gefühle des Sakralen und Erlösenden auslöst? PRAY! – bete! schrieb „Wired”, die Zeitschrift der technischen Transzendenz, auf sein Titelbild, als die Firma Apple kurz vor der Pleite stand – über einem Apple-Logo mit Dornenkranz. „Original Sin” – ursprüngliche Sünde – lautete eines der Werbeclaims der Firma, die mit IPod und Macintosh die Elektronikwelt revolutionierte. Was wird hier eigentlich zelebriert?

In unseren technischen Artefakten spiegelt sich unsere Sehnsucht nach Welt-Kontrolle. Autos waren immer auch Fetische des Entkommens, der designten Potenz, des Cocoonings – des Einspinnens in einen eigenen, hochkontrollierten Raum. Apples legendäres iPhone macht genau das, nur zeitgemäßer: Es gibt uns die Kontrolle zurück. Die berühmten „Apps” sind wie kleine Zauberwürfel, in denen wir uns die Welt auf spielerische, elegante Weise aneignen können. Auf Fingertip, mit einem fetten Grinsen.

Die Firma mit dem Apfel erinnert uns an die rebellischen, emanzipativen Elemente der Technik. Was die drögen Jungs von Microsoft mit ihren aus Rationalisierungs-Zwängen geborenen grauen Kisten niemals vermochten, schafften die verschworenen Jungs aus Cupertino. Sie bauen Computer, die auch Frauen lieben können, und die soziale Differenzierung erlauben. Ein Apple-Gerät eignet sich heute blendend als erotisches Statussymbol: Wer Apple hat, signalisiert seine Zugehörigkeit zur Kreativen Klasse, jener schöpferischen Elite, die nicht nur den Krisen trotzt, sondern ihnen etwas abgewinnt. Dagegen ist der fette PS-Bolide vor der Tür eine Botschaft von gestern: Da hat es einer nötig.

Alles nur Spielkram? Nein, es ist meta-politisch: Solche Gefühle kannte man einst auf Parteitagen. Dazugehören. Dabeisein beim Voran. Wir sind das Bauvolk der kommenden Welt. Natürlich ist Apple, wie Google, längst auch eine dunkle Macht geworden; eine tendenziell paranoische Sekte mit Paranoia und Geheimniskrämerei. Aber manchmal wünscht man sich, angesichts des chronischen Jammer-Elends in den Medien, den sound des Glaubens an die Zukunft zurück. Ohne Utopien können wir auf Dauer nicht leben. Lasst uns wenigstens auf diese wunderbare elektronische Verkündigung hoffen!

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