Liest man derzeit die Kommentare in den Medien, dann ist die E-Zukunft zu Ende, bevor sie begonnen hat. Die Elektro-Automobil-Revolution fällt angeblich aus. Zu wenig Fahrzeuge, kein Kundeninteresse, technische Probleme. Kommentiert wird dies mit einer Mischung aus Häme und Ich-Habs-Ja-schon-immer-gewusst-Haltung.
Aus der Sicht der systemischen Zukunftsforschung sieht das Ganze etwas anders aus.
Wir – die Bewohner des Future Evolution House fahren seit zwei Jahren ausschließlich Elektro-Autos. Im Alltagsgebrauch. Sommers wie Winters. Waren wir am Anfang noch skeptisch – vor allem unsere beiden Söhne im Alter von derzeit 15 und 19 – sind wir heute überzeugte E-Mobilisten. Wir können uns schon bald nicht mehr vorstellen, wie es ist, in eine Tankstelle zu fahren und ekelhafte Flüssigkeiten zu tanken, mit denen man schädliche Abgase erzeugt…
Die wesentlichen Argumente gegen E-Mobilität beziehen sich nach wie vor auf auf Reichweite und Preis.
Reichweite:
Wir haben mit unseren Fahrzeugen noch NIE ein Reichweiten-Problem gehabt. Allerdings deshalb, weil wir sie für ein SPEZIFISCHES Fahrverhalten einsetzen. Unser reiner Stromer (der MIEV) ist ausschliesslich für den Stadtverkehr gedacht. Mit gut 100 km Reichweite kommt man damit selbst im Winter problemlos zum Flughafen, zum Gärtner am anderen Ende der Stadt und dreimal wieder zurück. Unser Range-Extender-Auto (Ampera) fährt auch Langstrecke ohne Begrenzungen. Sein Realverbrauch liegt bei 3 Litern. Wir setzen das Auto eher im Bereich von 200 bis 400 km ein, und das eher selten. Sonst fahren wir Zug. Oder fliegen.
Preis:
In der Tat sind die Gefährte noch teuer – aber immer nur im Vergleich zu gleichartigen Verbrennungsautos, die momentan im unteren Segment einem rapiden Preisverfall unterliegen. Wenn man die exorbitanten Preise sieht, die heute Mittelschichts-Familien für enorm aufgerüstete Autos zahlen, die Treibstoffkosten abzieht und den Gebrauch auf fünf Jahre ansetzt, sieht die Rechnung schon ganz anders aus.
Auf Strecken unter 100 Kilometern – 80 Prozent aller heutigen Fahr-Operationen liegen darunter – ist das E-Auto an Effizienz nicht zu schlagen. Umgerechnet 2 Euro pro Hundert Kilometer! Rechnet man einen noch weiter steigenden Ölpreis ein, ist es auch heute schon wirtschaftlich.
Allerdings erfordert ihre Nutzung einen Gebrauchswechsel. Autofahren ist eine erlernte Kultur, die mit psychologischen Mustern und einer Menge Gefühlen zu tun hat. Das erlernte Muster eines „Autos für alles, das überall hin fährt”, weicht spezifischen Nutzungsformen. Für einen Berg-Urlaub mit Oma und Hund wird man ein anderes Auto mieten. Elektro-Autos verändern also das Gebrauchs- und Nutzungs-verhalten vom Auto-Besitz hin zur „acessability”.
Der Durchbruch für Elektroautos hängt von folgenden Faktoren ab:
- Vom Ölpreis
Dieser wird mit Sicherheit mittelfristig weiter steigen, auch wenn neue Rohölvorkommen entdeckt werden. Rohstoffpreise unterliegen heute weltweit spekulativen Mechanismen. - Vom Willen der Politik,
Strom-Mobilität strukturell (nicht subventionistisch) zu fördern – etwa durch Einfahrverbote in Städte. Eine massive „Verelektrifizierung” der Autobahnen würde nichts bringen. Denn niemand fährt 200 Kilometer, um dann eine Stunde aufs Aufladen zu warten. Wie gesagt: REINE Elektroautos sind STADTautos. Auf der längeren Strecke kommt der Hybrid (oder das Extender-Auto) zum Einsatz. - Vom Mut
Ist die Autoindustrie mutig und gewillt, neue E-Autos auf die Strasse zu bringen, die einen „Cool-Hippness-Faktor” haben? Die meisten Modelle sehen heute noch so aus wie traditionelle Benzinautos: Langweilig. Wenn endlich E-Gefährte mit anspruchvollem, tatsächlich innovativen Design auf den Markt kommen, wird sich das gute, alte Science-Fiction-Gefühl schon einstellen. Und vor allem Frauen werden schnell auf surrende Gefährte umsteigen, die an der Ampel noch jeden Porsche abhängen, aber eine ganz anderes Fahrgefühl des „Gleitens und Beschleunigens” entwickeln. - Von Verbesserungen
Weitere technische Verbesserungen, sowie Preissenkungen, werden und müssen folgen. Batterietechnik ist anspruchsvoll und nicht ganz ungefährlich – aber wie war das mit den Explosionsmotoren in der Anfangszeit?
All diese Faktoren sind komplex zu beurteilen. Überdeutlich ist heute der Unwille der Autoindustrie, die bewährten Verbrennungs-Konzepte zu überschreiten – zu gut laufen die Geschäfte in den Schwellenländern. Aber die Veränderung der Gebrauchsmuster in den großen Städten sind in vollem Gange. Junge Männer brauchen heute weniger das Gefühl des „machtvollen Autobesitzens”. Autofahren der alten Art ist ein mächtiges Mem, aber es hat seine Expansionszeiten hinter sich.
Aus systemisch-prognostischer Sicht ergibt jenseits aller Meinungen und Stimmungen ein klarer evolutionärer Vorteil für die Elektromobilität. Die Prognose lautet: Im TREND DER ZUNEHMENDEN URBANISIERUNG BILDEN REINE ELEKTROAUTOS EINE IDEALE EVOLUTIONÄRE NISCHE.
…Hinzu kommt, dass ein großer Teil des Umsatzes – bis zu 40% – eines Autoherstellers durch die regelmäßige (Scheckheft-)Wartung und Teileaustausch generiert wird. Teile mit „Verfallsdatum“ wie Auspuff, Zahnriemen etc. noch garnicht eingerechnet.
Besonders hinsichtlich dieser Verschleissteile ist eine Stromer deutlich einfacher und günstiger. Es gibt Elektromotoren, die seit fast 100 Jahren laufen. Das Teuerste, was an Stromern kaputt gehen kann, ist die Steuerelektronik, und da kommt wieder das von Bodo genannte Problem des Zukaufs ins Spiel.
An Stromern würden ganz andere (Zulieferer-)Firmen langfristig verdienen als die herkömmlichen alten Bekannten.
Vollkommen korrekt – allerdings habe ich große Bedenken, was den „Mut der Automobilindustrie“ angeht – die will so gar nicht an das Thema, und warum das so ist, hat der Ex-Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Opel Klaus Franz in der E-Mobilitäts-Diskussion beim Festakt „125 Jahre E-Mobilität“ in Rüsselsheim auf den Punkt gebracht: Die Autoindustrie hat einen großen Teil ihrer Wertschöpfung in Motoren und Antriebsstrang -würde dies elektrifiziert, müsste sie dies zukaufen und würde damit ein gutes Stück Wertschöpfung aufgeben.
Von daher erscheint mir die äußerste Zähigkeit bei der Markteinführung von E-Autos wirtschaftlich verständlich – insgesamt aber geradezu ein Unglück, bei der an sich wegen Rohölverknappung und CO2-Problematik dringend erforderlichen Umstellung des Verkehrs auf E-Antrieb.
Ich selbst bin seit 7 Jahren hyper-effizient im TWIKE auf drei Rädern elektrisch im Rhein-Main-Gebiet unterwegs – seit drei Jahren ohne Zusatz-Verbrenner, den leihe ich mir halt dazu, falls es einmal erforderlich ist, und das war noch nie ein Problem.
Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen!
Herr Horx bringt es mit den 4 Faktoren auf den Punkt.
Ich fahre seit einem halben Jahr einen Nissan Leaf und hatte ebenso noch NIE ein Reichweitenproblem.
Wir bearbeiten in unserem Unternehmen Forschungsprojekte zum Thema Elektromobilität und all unsere Betrachtungen zu Usability, Technologie etc. deuten derzeit darauf hin dass die Zukunft elektrisch sein wird.
Wir haben abgesehen von den (noch) höheren Anschaffungskosten für EVs, zur Zeit lediglich ein LADESÄULENPROBLEM, da öffentliche Ladesäulen hier in und im Umland von München Mangelware sind.