Die CDU will die Hauptschule abschaffen. Trotz müder Verteidigungsversuche wird das dreigliedrige Schulsystem damit beendet. Wohin soll das führen? Was soll nach dem Atomausstieg, nach dem Ausbau der frühkindlichen Außer-Haus-Betreuung, die heute in jeder CDU-regierten Gemeinde stattfindet, noch kommen? Führt die CDU demnächst die Schwulenehe ein, setzt WGs als Erziehungsberechtigte ein, legalisiert Heroin?
Es gibt eine ungeschriebene Regel, dass bahnbrechende Reformen immer von der „Gegenpartei“ exekutiert werden. Das Scheidungsrecht wurde in der schwarz-gelben Regierung der 80er-Jahre liberalisiert. Die größte Steuersenkung, ebenso wie die Wende der Sozialpolitik von der Transfer- zur Inklusions-Logik, verantwortete Rot-Grün unter Schröder.
Man kann dahinter die panische Angst vor dem Machtverlust wittern. Oder man versteht, dass es sich um Anzeichen für einen radikalen Strukturwandel der Politik handelt.
Die Megatrends – Individualisierung, Globalisierung, Urbanisierung, Postmaterialisierung, Feminisierung – verändern die Werte- und Kommunikationssysteme. Menschen suchen neue, emanzipative Lösungen des Zusammenlebens. Problemlagen und Knappheiten verändern sich, Markt, Gesellschaft und Staat rekonfigurieren sich. Unsere Parteien sind jedoch in einer Welt gegründet worden, in der es um geschlossene Welt- und Menschenbilder ging – Ideologien, nicht selten aus der Erfahrung von Not und Mangel geboren.
Die Alternative zu einer „adaptiven Politik“, die sich den kulturellen Wandlungen anpasst, wäre eine Art Parteien-Putschismus, wie er heute in vielen unreifen Demokratien noch vorherrscht. Gewinnt eine Partei die Wahl, tauscht sie den Staatsapparat aus, ändert die Gesetze – um in der nächsten Wahl hinweggefegt zu werden. Eine solche Politik polarisiert die Bürger und radikalisiert das politische Spielfeld. So zum Beispiel in Ungarn.
Korporatistische Gesellschaften wie in der Schweiz oder in Skandinavien haben einen evolutionären Weg des Politischen gefunden. Sie praktizieren pragmatische, tastend-fragende Modernisierungspolitik. Parteien sind hier nicht mehr Lebensanker und Weltbildformer, sondern Lösungsvorschlagende. Entscheidungen fallen nicht entlang von Programmen, sondern in plebiszitären Prozessen. Was denkt das Volk, was will es? Wie ginge es besser ?
Die Zukunft gehört einer leistungsorientierten, individualisierten, neo-pädagogischen Ganztagsschule für alle Kinder bis zur 10 Klasse; alle erfolgreichen Bildungsnationen sind diesen Weg gegangen. In einigen Jahren werden wir eine Frauenquote haben, weil das Problem der „männerbasierten Präsenzkarriere“ anders nicht zu lösen ist.
Heroin wird staatlich verschrieben – einzig gangbarer Weg, Leben zu retten und die Drogenmafia zu bekämpfen. Die konservative Schweiz hat das längst eingeführt. Politik dient, sorry lieber Ortsverein, nicht mehr dem Schmeicheln der eigenen Weltanschauung und dem Zusammenrücken gegen „die anderen“. Politik ist sozio-kybernetisches Management. Grün gewinnt, weil ökologische Fragen das Schicksal bestimmen.
So einfach ist das. Die Welt hält sich nicht mehr an ewige Wahrheiten von gestern. Auf Dauer gewinnt im politischen Geschäft, wer den Wandel versteht. Angela Merkel, das „Weichei“, hat dies womöglich verstanden.