Von Matthias Horx und Oona Horx-Strathern
Schon Woody Allen träumte vom Super-Sex mit Liebes-Maschinen. Doch was wird aus unseren Bedürfnissen, wenn technische Geräte sie befriedigen? Ein Plädoyer für das Wunder namens Zuneigung.
Es ist die unausweichliche Frage an den Zukunftsforscher, wenn es um Sex geht: Wann werden wir Sex-Roboter haben? Wäre das nicht der Mega-Markt des 21. Jahrhunderts? Maschinenwesen, die uns in allen Spielarten der Erotik rund um die Uhr zur freien Verfügung stehen? So was muss doch irgendwann mal kommen!
Woody Allen hatte unglaublich guten Sex mit solchen Maschinen in seiner Zukunfts-Posse „Der Schläfer”. Der Film stammt aus dem Jahr 1973. Der Meinungsforscher Stowe Boyd behauptete in einem jüngst erschienenen Bericht, dass &bquo;Im Jahr 2025 Roboter-Sex-Partner eine Selbstverständlichkeit sein werden”. Im Jahr 2010 reüssierte der weltweit erste Sexroboter Roxxy – ein Gummipuppenmonster mit erschreckenden Zuckungen. Auf der AVN-Expo 2013 präsentierte die japanische Sex-Spielzeug-Firma Tenga einen Stimulator, der mit einer erotischen Avatar-Figur auf einem Bildschirm verbunden ist. Und im Videospiel „Grand Theft Auto” kann man Sex mit einer Prostituierten aus subjektiver Perspektive „haben”. Wirkt ziemlich echt. Noch Fragen?
Aber langsam! Es ist das alte, fundamentale Missverständnis der Futurologie: dass Zukunft aus Mechanisierung und Funktionalisierung besteht. Derselbe Irrtum, der uns weismacht, wir könnten „im Internet” die „Liebe unseres Lebens” finden, lässt uns auch an Liebesroboter glauben. In Wahrheit werden die Derivate der Liebespraxis stets das bleiben, was sie schon immer waren: Masturbate – ganz egal, wie gut sie gemacht sind.
Denn wonach Menschen sich unendlich sehnen – und wovon sie existentiell abhängig sind – ist nicht Sex, sondern Zuneigung. Menschliche, fleischliche, unprogrammierte Zuneigung. Ohne den liebenden Blick der Eltern sterben wir. Sexualität ist ja auch das: ein sich Fallenlassen. Natürlich kann man sich Liebe einbilden und erträumen. Doch maschinell ersetzen kann man sie nicht. Liebe ist – und wird es immer sein – das Versprechen, sich selbst zu verlieren. Sich einem anderen Wesen wahrhaft zuzuwenden. Verletzlich zu sein.
In vielen japanischen Einzimmerwohnungen hat das robosexuelle Zeitalter sicherlich längst begonnen. Doch nicht einmal die jungen Japaner mit Sex-Tamagotchi in der Hosentasche halten das für Liebe. Sie wissen: Es ist ein Toy. Sie lächeln schüchtern und sagen: Eine echte Freundin können wir uns leider nicht leisten.
Wir trösten uns also nur. Mit potenten Autos, mit Smartphones und lauter geilen Gadgets. Aber um einen Roboter zu lieben, oder auch nur, um so etwas wie Sex mit ihm zu haben, müssen wir uns erst vollständig entmenschlichen. Dass viele das für möglich oder sogar für wahrscheinlich halten, sagt eher etwas über das Robotische im Menschen aus als über die Zukunft. Am Ende sind die glänzenden Fantasien unserer feuchten Träume immer nur Spiegel, in dem wir uns selbst erkennen.
Erschienen im März 2015 im Magazin emotion