Die Zukunfts-Partei

Matthias Horx wünscht sich eine Traum-Partei wie die „Moderaten“ in der dänischen Fernsehserie Borgen, denn sie will jenseits der Links-Rechts-Gräben Reformpolitik voranzubringen.

Manchmal träume ich politisch. Ich träume von einer ganz neuen Partei. Einer Partei, die liberal und progressiv, grün und pragmatisch, und dabei im Kern innovativ wäre. Eine Partei, die man wählen kann, wenn man die Umwelt liebt, aber Unternehmertum als Kreativität und Wirtschaft als Wandel begreift. Eine Partei, die den Sozialstaat emphatisch verteidigt, ihn aber gerade deshalb vor der reinen Umverteilungslogik retten will. Eine Partei, in der man sich traut, ernsthaft eine Greencard für Afrikaner zu debattieren. Die sich nicht die CO2 -Reduktion von den Autokonzernen abkaufen lässt, aber auch nicht alles glaubt, was die Klima-Alarmisten erzählen. Eine Partei, die weiß, dass „Gerechtigkeit“ ein vertrackter philosophischer Begriff ist. Den man niemals in polemischen Talkshows benutzen sollte!

Mit anderen Worten: Eine Zukunfts-Partei.

In vielen Parteien habe ich zeitweise Elemente davon gefunden. In der Reform-SPD der 70er, aber auch im Mut der Hartz-Gesetze. Bei den Grünen, als der Bundestag noch eine finstere männliche Gröl-Veranstaltung war. In der FDP des Gerhard Baum und Hans-Dietrich Genscher. In der CDU, die heute die Größe hat, über den Schatten der Schwulenaversion und der Zuneigung zur Atomenergie zu springen. Aber immer wieder fallen die Parteien in die alten Lager-Gräben zurück. Wie im letzten Wahlkampf, dessen Ideologie-Ruinen heute mühsam entsorgt werden müssen.

In meiner Lieblingsserie Borgen führt eine Frau (Birgitte Nyborg) eine solche Traum-Partei. Die „Moderaten“ in Dänemark sind angetreten, jenseits der Links-Rechts-Gräben Reformpolitik voranzubringen. Die Moderaten können mit allen koalieren, weil sie keine Dogmen haben („Steuererhöhung“ „Betreuungsgeld“). Jetzt, in der Dritten Staffel, gründet Birgitte wieder eine neue Partei, weil ihre alte mit den Rechten paktiert. Die „Neuen Demokraten“. Würde ich auch wählen, weil ich dem „Prinzip Birgitte“ vertraue – abwägende Vernunft, moderierte Emotion, weiblicher Pragmatismus.

Aber auch im politischen Real-Raum in nicht alles hoffnungslos. Bei der letzten Wahl in Österreich hat die neue Partei Neos ein Programm der klugen, differenzierten Reformpolitik geschrieben – und kam ins Parlament! In der Schweiz gibt es seit einigen Jahren die durchaus erfolgreichen Grünliberalen. Für solche Sonderlinge wie mich, die sich keinem Lager mehr zuordnen wollen, ein echter Deal. Wenn die FDP aus ihrem Desaster wirklich lernen würde und die Grünen endlich kapierten, dass sie mit Gesinnungspolitik keine Mehrheiten organisieren können, könnte es auch in Deutschland endlich eine neue Zukunftspartei geben.

Aber dann wache ich auf. Und habe einen Kater. Eine solche Partei gäbe es nur, wenn es in der ganzen Gesellschaft eine Bereitschaft für das komplexe Neue gäbe. Aber irgendeine dunkle Energie zieht uns immer wieder hinab in die Schützengräben des Entweder-oder, in die Schlachtordnungen der moralischen Erregung. Das Ende vom Lied ist die Totalblockade, wie in Washington, oder die kommende großkoalitionäre Ödnis. Diese alte Melodie des „Wir Guten gegen die Bösen“ ist tief in uns eingeprägt. Viel tiefer als die Sehnsucht nach Zukunft und Veränderung. Ein endloser Shitstorm. Ein ewiges Rückwärts.

2 comments for “Die Zukunfts-Partei

  1. Inge
    22/10/2013 at 21:29

    S.g.Herr Horx, ich habe Ihren Vortrag (Future Living) im SWR gesehen. Er hat mich sehr beeindruckt. Als frustriertes FDP-Mitglied finde ich auch den Gedanken an „Grünliberale“ interessant!

  2. Holger
    17/10/2013 at 22:58

    Sehr geehrter Herr Horx, wenn dann „Borgen“ mit der dritten Staffel leider für immer endet, können sie ja versuchen sich mit „The Newsroom“ zu trösten. Die Serie tendiert leider manchmal zum Albernen hin, aber ansonsten ist sie auch ziemlich gut.

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