Was passiert mit uns und der Welt, wenn wir einfach NICHTS tun? Wenn wir warten, uns nicht festlegen? Stagniert dann nur alles? Keineswegs.
Zu einer der unterschätztesten humanen Talente gehört die Fähigkeit zum Zweifeln. Während man gern den unbedingten Glauben preist – an den Wahlsieg, an höhere Mächte, Deutschlands Wirtschaftskraft, den nächsten Waffengang – machen Menschen, die zweifeln, zunächst keine gute Figur. Barack Obama wurde im Fernsehen und in den Zeitungen in den letzten Tagen als schwacher, zweifelnder, geradezu zerbrechlicher Scheiter-Präsident abgebildet, weil er nicht entschlossen die Cruise Missiles und Bomber gen Syrien losschickte. Irgendetwas in uns scheint sich geradezu, nach dem alten Haudegen George W. Bush zu sehnen. Der hatte zwar keine Ahnung von der Welt, war aber immer bereit, an „The Mission“ zu glauben.
Doch die Geschichte zeigt: Erst wo der Zweifel zur Blüte gelangt, entsteht das wahrhaft Neue. Buddha zweifelte am Wollen-Wollen, Jesus an der Idee der Rache, Galileo an der Vorstellung der Erde als Scheibe. Durch Kennedys Zweifel an den Einflüsterungen seiner Militärs wurde in meiner Kindheit der nukleare Weltuntergang vermieden (bei der Kubakrise 1962). Gute Kunst ist immer ein Akt des Zweifels. In gewisser Weise sind Demokratie und Markt, die beiden großen dynamischen Erfindungen der Menschheit, nichts anderes als Erscheinungsformen des Zweifels.
Der Markt zweifelt unentwegt am Tauschwert eines Produktes, einer Dienstleistung, und dadurch entsteht Wandel, Kooperation (auch als Konkurrenz) und Innovation. Demokratie funktioniert nach dem Zweifler-Guru Carl Popper immer dann gut, wenn man die falschen Ideen abwählen kann. Was uns allerdings, wie man in den diversen Fernseh-Politrunden sehen konnte, immer weniger gelingt. Denn auf dem politischen Markt werden derzeit die Ideen von Anno dunnemals verkauft. Zweifelsfrei.
Produktivkraft Gelassenheit
Mein Freund Holm Friebe hat in seinem neuen Buch „Die Stein-Strategie“ dem Zweifel zu neuer Ehre verholfen. Er folgt der Frage: Was passiert mit uns und der Welt, wenn wir einfach NICHTS tun? Wenn wir warten, uns nicht festlegen? Stagniert dann nur alles? Keineswegs. Während wir achtsam beobachten, bewegt sich die Welt weiter, und wir lernen womöglich, sie mit anderen Augen zu betrachten. Gelassenheit ist eine enorme Produktivkraft.
Dazu passt die Geschichte eines zum Tode Verurteilten, der folgendes vereinbart: Wenn er in einem Jahr dem Hund des Königs das Sprechen beibringen kann, lässt ihn der König frei. Als ein Mithäftling den Mann fragt, warum er einen so hoffnungslosen Deal abschließt, antwortet er: „In einem Jahr kann viel passieren. Das Gefängnis kann zerbröseln. Der Hund kann tatsächlich sprechen lernen. Ich kann sterben oder auch der König.“
Wenn wir an der militärischen Strafe für Assad zweifeln – vergessen und beleidigen wir dann nicht die Opfer des Giftgasangriffe? Nein, die Opfer würden nicht lebendig, wenn man die Täter pulverisiert. Durch den Zweifel hat die Weltgemeinschaft eine neue Chance, Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten, ja überhaupt so etwas wie „Weltgemeinschaft“ zu werden. Und das ist es, was am Ende Zukunft macht: Kooperationen, Allianzen, Verbindungen, die bislang unmöglich schienen. Dann kann man auch wieder glauben: an ein besseres, oder zumindest weniger schreckliches Morgen.
Dem Werk des Menschen jedoch einfach zuzusehen und den Klimawandel dabei beobachten wäre damit wohl nicht gemeint!?