Die Arbeit der Zukunft

Zu den fatalen Nebenwirkungen eines medialen Erregungs-Systems gehört, dass wir die Welt um uns herum nur noch durch eine Brille negativer oder sexueller Sensationen wahrnehmen. Dabei gerät die Wirklichkeit unter die Räder.

Die wichtigste Meldung der vergangenen Kachelmann-Woche war eine Zahl: drei Millionen. Drei Millionen Arbeitslose gibt es in Deutschland noch. Weiter fallend.

Können wir uns noch an einer der klassischen Alarm-Diskurse der Neunziger und frühen Nuller-Jahre erinnern? Die Arbeit geht uns aus! Elend, Not und Suppenküchen werden unser Land überschwemmen! Es wird schlimmer als 1928, achwas, 1933!

Damit das düstere Weltbild weiter stimmt, veranstaltete die ARD sogleich eine der klassischen Talkshows, in denen jede Veränderung als Bedrohung recodiert wird. Bei Anne Will hieß es „Moderne Job-Nomaden – mobil, heimatlos, ausgebrannt“. Es kam zur üblichen Gegenüberstellung von Moralpfarrern und antikapitalistischen Putzfrauen.

Beklagt wurde vor allem, dass Arbeit „untypisch“ und „prekär“ wird. Zeitarbeit wurde als Einfallstor für das neue Prekariat gewertet.

In solchen Debatten lässt sich niemals artikulieren, dass Arbeit eine WANDLUNGSKULTUR ist, die sich wie die Partnerschaftskultur, die Kunst und die Kulinarik von innen heraus differenziert. Dass es längst Millionen von Menschen gibt, die Arbeit nicht mehr nur als Lohn-Äquivalent empfinden, sondern als Entfaltung ihrer Talente und Fähigkeiten. „Wir nennen es Arbeit“, heißt ein kluges Buch des Berliner Zukunftsmoderators Holm Friebe. Darin wird versucht, die Entwicklung der Arbeit von der menschlichen Emanzipation, von den wachsenden sozialen Netzwerken, von der Autonomie von Gruppen und Individuen her zu verstehen.

Wer in seiner Familiengeschichte etwas genauer hinschaut, weiß, dass die Geschichte von der „früher sicheren Arbeit“ ein Mythos ist. Die Berufsbiografien unserer Väter waren immer prekärer, als man uns heute weismachen will. Immer wurden Werke geschlossen, gingen Konzerne pleite, wurden ganze Industrien abgebaut. Dreckige, unsichere Jobs sind nichts Neues. Die „lebenslangen Siemensianer“ und „sicheren Daimler-Schaffer“ waren immer schon eine Ausnahme.

Frauen hatten viele Jahrzehnte lang gar keine Berufsbiografie. Ihr Leben war prekär an Männerschicksale gebunden. Menschen, die mit der Acht-Stunden-Norm Probleme hatten, hatten einen schweren Stand.

Das eigentliche Elend unserer soziopolitischen Debatten besteht darin, dass wir immer nur von der Soll-Seite aus in eine idealisierte Vergangenheit starren. Jeder Mensch – jeder! – hat ein Talent, mit dem er durch Übung und gute Starthilfe zu einer Beschäftigung finden kann. Dafür müssen wir allerdings unser Bildungssystem verändern. Neue Berufsbilder entstehen, und das Feld der Kreativarbeit wächst. Viele Firmen öffnen sich heute einem Menschenbild, in dem Mitarbeiter nicht mehr nur als Kettenglieder der Produktion verstanden werden. Mindestlohn und negative Einkommenssteuer können die Härten sehr einfacher Jobs abfedern.

All das sehen wir nicht, wenn wir beim Stichwort „Arbeit“ immer nur in das alte Klassenkampf-Geschrei verfallen. Wie nannte Max Weber die alte, industrielle Lohnarbeit? „Das eherne Korsett der Hörigkeit“. Es ist Zeit, aufzubrechen.

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