Der Wandel zum Grünen

Warum die Krise die Welt sauberer macht

Seit dreissig Jahren verschmutzt die „Baikal Pulp and Paper Mill”, eine gigantische Papierfabrik, einen der schönsten und ökologisch empfindlichsten Seen der Welt mit Sulfaten, Phenolen und Chloriden. Umweltschützer bekämpfen seit Jahren vergeblich das Werk, dessen Eigentumsverhältnisse irgendwo beim russischen Staat zusammenlaufen, und das in den Hochzeiten des Kalten Krieges errichtet wurde. Seitdem stinkt die Gegend nach faulem Kohl, und Teile des Baikal drohen seit vielen Jahren umzukippen.

Jetzt ist plötzlich alles anders. Jetzt ist Krise. Im  Winter wurde das Große Papierwerk geschlossen, aus Mangel an Absatzmärkten. Und nun verzeichnet das örtliche Ski-Resort plötzlich einen kleinen Boom. Hotels werden eröffnet, der Tourismus nimmt einen Aufschwung und bietet Arbeitsplätze.

In der Krise, so die landläufige Meinung, wird alles immer schlechter. Menschen werden arbeitslos, und die Firmen sparen nun auch noch am Nötigsten, zum Beispiel am Umweltschutz. Man kann es aber auch anders sehen. Die Krise beendet jene Geschäftsprozesse, die auf Dauer nicht nachhaltig waren. Und zwar für immer. Und beschleunigt den Strukturwechsel.

China zum Beispiel: Im Delta des Perlflusses haben tausende von „Sweatshops” geschlossen – Fabriken, in denen Menschen für Billigstlöhne rund um die Uhr schufteten. In Zhejiang, südlich von Shanghai sind fast 60.000 Kleinfabriken dicht. Für die Arbeiter ein Desaster, aber Flüsse und Luft sind drastisch sauberer geworden. Ähnliche Effekte gibt es an anderen Billiglohn-Grenzen: In Mexiko, jenseits der US-Grenze, haben fast 40 Prozent aller Billigfabriken zugemacht. In Brasilien hat sich die Rodungsquote des Amazonaswaldes innerhalb eines Jahres um 70 Prozent verringert, weil die globalen Rindfleischpreise gefallen sind. Und selbst in Europa senkt die Wirtschaftsflaute den CO2-Ausstoß im Jahr 2009 um 100 Millionen Tonnen.

Wenn die Weltökonomie wieder anzieht, so könnte man vermuten, werden die Umweltverpester ihr Geschäft fröhlich wieder aufnehmen. Aber diese Vermutung macht die Rechnung ohne die dynamischen Kräfte der Wirtschaft. Wenn Menschen arbeitslos werden, suchen sie sich neue Beschäftigungsfelder. Wenn Firmen Produktion einstellen, suchen sie nach anderen Wegen des Geldverdienens. Wenn Staaten ganze Sektoren ihrer Wirtschaft verlieren, bleiben sie nicht untätig.

Die chinesische Regierung hat ein 600-Milliarden-Dollar-Programm zur Energieeffizienz aufgelegt, das unter anderem gewaltige Solar- und Windkraft-Programme sowie neue Produktionsmethoden finanziert. Chinas Regierende wissen, dass die Umweltfrage längst nicht mehr nur ein „Nebenwiderspruch” ist, sondern auf Dauer die Zukunftschancen des Landes schwächt. Ebenso wissen die brasilianischen Viehzüchter, dass die Kunden der Ersten Welt immer mehr nach Herkunft und Ökobilanz von Produkten fragen. Billiges Rindfleisch durch Brandrodung wird somit zu einem riskanten, auf Dauer ZU riskanten Geschäft.

Die Krise beschleunigt, was schon lange überfällig war. Schumpeters „Kreative Zerstörung“ lässt grüßen. Aber die Betonung liegt nicht, wie viele Menschen fürchten, auf „Zerstörung”. Viele Prozesse, auch in der Wirtschaft, bestehen aus graduellen Verbesserungen, aus Win-Win-Prozessen. In der Krise stehen der Innovation mehr Zukunfts-Ressourcen zur Verfügung als in Zeiten des hektischen Booms. So gesehen war die Krise bitter nötig. Als Voraussetzung für Heilung.

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