Das Gute im Schlechten

Gerade bin ich von einer Reise ins tropische Sri Lanka zurückgekehrt. An der Südküste, wo der Indische Ozean gewaltige Wellen an den Kokospalmen-Strand wirft, besuchten wir ein Monument für den Tsunami von 2003, der hier fast 1000 Menschen in den Tod riss, die in einem Zug Zuflucht suchten. Rund um das heroische Denkmal, unter dem die Überreste Hunderter Toter liegen, lief ein buddhistisches Volksfest mit Feuerwerk, Buden und jeder Menge Süßigkeiten. Fröhliche Gesichter. Große, bunte, lächelnde Buddha-Statuen blickten aufs Meer.

40 000 Tote forderte der Tsunami auf Sri Lanka, er zerstörte ganze Küstenregionen. Aber in gewisser Weise war er ein Wendepunkt in der Geschichte des Landes. Einige Jahre später wurde der Bürgerkrieg gegen den militanten Tamilismus beendet; heute ist das Land voller Zukunftshoffnung und Wachstumsenergie. Gerade wurde die erste Autobahn des Landes eröffnet, von den Chinesen gebaut. Überall schießen wunderbare Design-Hotels aus dem Boden.

Die Einschulungsquote der Kinder liegt bei 95 Prozent, die Geburtenrate bei 2,3 (knapp über Frankreich und Schweden), und das Wirtschaftswachstum pendelt seit fünf Jahren um acht Prozent. 20 Millionen Optimisten auf dem Weg in ihr Wirtschaftswunder.

In den Angst-Monaten nach dem 11. September, waren die deutschen Talkshows voll mit den üblichen Weltuntergangs-Professoren, die den Dritten Weltkrieg unvermeidbar sahen. Die Globalisierung, so die einstimmige Prognose, wäre zu Ende, eine tiefe Weltrezession unausweichlich – ob es überhaupt jemals wieder normalen Flugverkehr geben würde? Aber zehn Jahre danach wird klar, dass der Anti-Globalisierungs-Terrorismus die Welt auf vielfältige Weise eher näher zueinander gebracht hat. Viele islamische Staaten haben sich vom Flirt mit dem Terrorismus verabschiedet. Demokratie statt Scharia steht in Nordafrika auf der Tagesordnung.

New York ist heute eine lebendige, tolerante Stadt mit viel weniger Verbrechen als vor der Jahrtausendwende. In Japan, das zahlreiche Naturkatastrophen ertragen musste, zeigen sich plötzlich Wachstumszeichen – das Fukushima-Desaster scheint die Kräfte der Innovation nach langer Stagnation wieder zu beleben. Menschen, Kulturen, Gesellschaften reagieren auf Krisen oder Katastrophen oft mit Freisetzungen vitaler Energien. Diese Fähigkeit zum Wiederaufstehen, zum Neuanfang, hat die menschliche Spezies immer wieder nicht nur überleben, sondern neu aufbrechen lassen.

Stellen wir uns vor, auch unsere schreckliche Euro-Krise brächte eine Wende zum Guten – allen Horrorgesängen der Untergangs-Professoren zum Trotz, die wieder fröhlich durch die Medien ziehen. Stellen wir uns vor, dass in wenigen Jahren das Gros der europäischen Länder so gut wie entschuldet sein wird, und so neue ökonomische Stärke entsteht. Stellen wir uns vor, Griechenland bekommt die Kurve. Wir finden neue verbindliche Spielregeln. Geschuldet wäre das dem bösen Markt, der mit gemeiner Spekulation die Schwächen Europas angegriffen hat.

So ist die Welt. Das Gute entsteht nicht durch das Angenehme, Gutgemeinte oder Gutgewollte. Auch nicht durch Schimpfen und Drohen und moralische Mahnung. Gelungene Zukunft ist ein Resultat des Mutes, der die Angst überwindet.

Schreibe einen Kommentar