Wetten auf die Zukunft

Pegida ist auch ein Ausdruck davon, dass immer mehr Menschen einem Denken verhaftet sind, das um die eigenen Ängste kreist. Matthias Horx schlägt vor, öfter mal mit einer Wette dagegenzuhalten.

Wenn Melinda und Bill Gates in Berlin für ihre Sache, die Bekämpfung der globalen Armut, werben, herrscht eher mäßiges mediales Interesse. Was interessiert uns, erstens, Afrika, das vor allem mit Katastrophen, Epidemien und Flüchtlingsdramen auf sich aufmerksam macht? Zweitens sind wir eigentlich mehr am Skandal des Reichseins interessiert.

Bill Gates
Foto: Simon Davis/DFID

Dabei ist die Gates-Stiftung längst ein wichtiger Player im weiten Sektor der Armutsbekämpfung. Ihre Investitionen in Impfmittel, Aktivitäten zu Malaria, Bildung, Kommunikation, Energie für die Ärmsten des Planeten sind nicht nur gewaltig, sondern auch kreativ und ungewöhnlich. Die Gates-Stiftung experimentiert auch jenseits der ausgetreten Pfade der Armutsbekämpfung. Jüngste Projekte sind die (High-Tech-)„Toilet for Africa“ oder der „Omniprozessor“, der aus menschlichen Fäkalien Trinkwasser und Dünger macht. Bill Gates nahm vor kurzem einen guten Schluck Wasser aus diesem Ding, vor laufenden Kameras. Besser als Dschungelcamp.

Heute haben Melinda und Bill, wie sie überall genannt werden, eine Zukunfts-Wette auf den Tisch gelegt, die sie nächste Woche in Berlin weiter erläutern wollen: „Wir haben vor 40 Jahren gewettet, dass auf jedem Tisch ein Computer stehen wird. Heute wetten wir auf die nächsten 15 Jahre, dass weniger Kinder bei oder nach der Geburt sterben werden, dass bessere Gesundheits- und Bildungssysteme entstehen, viele Krankheiten auch in Afrika ausgerottet sein werden. Wir wetten, dass Afrika sich selbst ernähren kann, dass dezentrale Banking-Systeme den Wohlstand heben. Dabei ist die Rolle der Frauen entscheidend, die wir auf besondere Weise stärken müssen…“ (Originaltext siehe www.gatesnotes.com)

Können solche Zukunftswetten dazu beitragen, etwas zu bewegen? Oder sind sie nur Schall und Rauch? Fast eine Milliarde Menschen konnten in den letzten 20 Jahren der bitteren Armut entkommen. Dabei haben die im Jahr 2000 verkündeten Millennium-Ziele der UN geholfen – auch wenn nicht alle Zielmarken erreicht wurden. Die Zahl der Malaria-Opfer sinkt derzeit rapide. Bemerkenswert auch der Rückgang bei der Säuglingssterblichkeit. Aber 37 Prozent der Deutschen glauben, dass die Rettung von Kindern nur zu mehr Bevölkerungsexplosion führen wird. Dabei zeigen empirische Untersuchungen das Gegenteil: Wenn Kinder überleben, sinken die Geburtenraten deutlich. Hierzulande aber ist das Kuchendenken die vorherrschende Ideologie: Die Welt ist ein Kuchen, an dem verschiedene Löffel kratzen. Wir selbst haben zwar ein schlechtes Gewissen, dass wir so viel verspeisen. Aber vor allem ängstigt uns das Gefühl, dass der Kuchen niemals für alle reichen wird.

Daraus entsteht ein verdruckstes, statisches Denken, dass um die eigenen Ängste kreist – Pegidaland ist überall. Wetten auf die Zukunft können hier eine segensreiche Wirkung haben. Sie können helfen, muffigen Narzissmus zu überwinden. Sie verpflichten uns auf ein Ergebnis, zwingen uns, darüber nachzudenken, was wir tun können, um die Welt zu verbessern. In diesem Jahr werden zwei große Zukunftswetten erneuert. Im Herbst wird die UN über neue Ziele zur Verbesserung der globalen Lebensverhältnisse entscheiden. Und der Klimagipfel in Paris wird die Kooperation in Sachen CO2 testen. Wetten wir mit!

Erschienen am 21.01.2015 in der Berliner Zeitung

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