Vom Glück der neuen Super-Singles

Klar, man kannte immer schon Frauen, die über 35 waren und keinen Partner hatten. Neu ist die Art, wie sie heute durchs Leben gehen: mit besserem Sex, mehr Ansehen, mehr Selbstvertrauen. Was macht das mit unserer Gesellschaft?

Gibt es noch so etwas wie einen blinden Fleck, eine leere Stelle auf der Landkarte der Liebe? Eine Lebens- und Liebesweise, die mit einem fundamentalen Tabu behaftet ist? Wahrscheinlich schon. Die Rede ist von Singles, jenseits der 35. Wer in einem „bestimmten” Alter ohne Mann ist (oder die Freundin fürs Leben), wurde bislang zwangsläufig in eine sanfte Diskussion über „die Zukunft” verwickelt. Und dann fiel irgendwann dieser blöde Satz: „Aber du siehst doch so toll und sympathisch aus!”

Unsere Freundin F. ist seit 8 Jahren glücklich ohne „den einen”. Und gerade deshalb reichhaltig involviert in das Leben und die Liebe, in Freundschaften und Fürsorge. Für den besagten Satz hat sie sich irgendwann eine Gegenfrage angewöhnt: „Warum bist du verheiratet? Du siehst doch so gut aus?”

Wenn man 50 wird, hören die Leute irgendwann auf zu fragen – vielleicht kann man sich auf diesen Zeitpunkt freuen. Dann lautet der Konsens: Sie war zu sehr in ihre Karriere verliebt oder sie ist zu kompliziert. Doch die Soziologin Kay Trimberger fand etwas anderes heraus: In ihrer Studie über die „Neuen Singles” zwischen 30 und 50 heißt es: „Sie schaffen sich Strukturen, die ein gutes Leben ermöglichen. Und das noch, bevor sie sich von der Idee verabschieden, dass man nur als Paar wirklich glücklich werden kann.”

Teil eines Paares zu sein ist kein Schicksal, sondern ein erlerntes Muster. Die offeneren Netzwerk-Familien-Strukturen (siehe unsere Kolumne vom Vormonat „Kennen Sie schon das Kinship-Prinzip“) bieten den Geschiedenen oder Nie-Verheirateten heute neue Lebens-Optionen. Auch die Ökonomie spielt eine Rolle für die wachsende Zahl der Bei-sich-Bleibenden: Kay Trimberger fand heraus, dass Frauen in den USA, die nie verheiratet und geschieden waren, deutlich höhere Einkommen erzielten. Außerdem entsteht eine Art kritische Masse: Man ist heute als „Super-Single&rdqo; nicht mehr allein unter Paaren. Dazu kommen Selbstorganisationen wie „Single Mothers by Choice”, eine Organisation für Frauen, die sich bewusst für ein Leben als Alleinerziehende entschieden haben.

Die neuen Super-Singles sind zufrieden mit ihrer Wahl und erfolgreich im Job. Und sie haben ein erfülltes Sex-Leben. Ältere Super-Singles können positive und entspannenden Vorbilder sein: Jüngeren Frauen nehmen sie die Partnersuch-Panik und schützen sie vor der „35-Jahres-Grenze-Hysterie”. Die Autorin Peggy Orenstein hat dazu etwas Interessantes geschrieben. Früher, so sagt sie, glaubten viele Frauen: Wer sich bis 40 nur um seine Karriere kümmert, wird bis ans Ende seiner Tage einsam bleiben. Heute könnten sich solche Frauen auf einen neuen Lebensabschnitt und eine positive Identität freuen. Super-Singles werden also eine eigenständige, stolze Existenzform. Wie die Historikerin Ann Douglas sagte: „Die Möglichkeit für Frauen, ein eigenbestimmtes Selbst-Leben zu gestalten, ist eine der wichtigsten sozialen Wandlungen unserer Tage.”

Matthias Horx und Oona Horx-Strathern

Erschienen im Magazin emotion, Januar 2015

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